LEBEN MIT
Diabetes
„Die Diagnose Diabetes ist für jeden erstmal ein Schock“, sagt Ernährungsmedizinerin Dr. Nagham Soda. Und tatsächlich: Wer unter Diabetes leidet, muss sein Leben komplett umkrempeln. Aber das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Denn mit dem nötigen Wissen und Selbstkontrolle können Diabetiker ein normales Leben führen. Wer es schafft, eine positive Lebenseinstellung zu behalten, kann sogar profitieren, ist sie überzeugt: „Die Diagnose Diabetes kann man auch als Chance sehen, in Zukunft mehr auf seine Gesundheit zu achten.“
Etwa zehn Prozent der Deutschen leiden unter Diabetes, die meisten davon – über 90 Prozent – unter dem Typ-2, dessen Ursache vor allem im Lebensstil begründet liegt. Übergewicht, falsche Ernährung und Bewegungsmangel gelten als wichtigste Entstehungsfaktoren der Krankheit, die unzureichend behandelt schwere Folgen für den ganzen Körper hat und beispielsweise als einer der Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall oder Herzinfarkt gilt.
„Die Änderung des Lebensstils ist immer der erste Therapieschritt bei Diabetes Typ-2: bewusste Ernährung, mehr Bewegung, Gewichtsreduktion“, so Dr. Soda. Diabetiker – wie Nicht-Diabetiker – sollten auf eine ausgewogene vollwertige Ernährung achten. „Eine spezielle Diabetes-Diät gibt es nicht“, erklärt Silvia Maisch, Diabetesberaterin und Diätassistentin am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt. Sie und ihre Kollegen raten den Patienten vielmehr dazu, sich nach den Prinzipien der mediterranen Kost zu ernähren: „Viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Kräuter und pflanzlichen Öle, vor allem Olivenöl“, zählt Maisch auf. „Dazu kommen mageres Fleisch und Seefisch.“
„Die Kombination aus Ernährungsumstellung und mehr körperlicher Aktivität führen zu einer Gewichtsreduktion, was den Diabetes positiv beeinflusst“, ergänzt Maischs Kollegin Anja Hein. „Wer das schafft, kann seine Medikamentendosis oft reduzieren oder sogar komplett ohne Medikamente auskommen.“
ÜBRIGENS
Grund für das erhöhte Diabetes- und Herz-Kreislauf-Risiko ist vor allem das Fett am Bauch. Deswegen misst man heute Bauchumfang statt Body Mass Index. Bei Frauen wird er ab 80, bei Männern ab 94 cm ungesund.
Ernährung umstellen: so geht’s!
„Nach unserer Erfahrung klappt die Ernährungsumstellung nicht von heute auf morgen“, so Maisch. „Wir raten dazu, die Nahrungskomponenten Schritt für Schritt auszutauschen, zum Beispiel Weißmehl- durch Vollkornprodukte zu ersetzen.“ Auch Portionsgrößen sind wichtig. Unterm Strich sollte das Essen genussvoll sein und satt machen. Wie das geht, kann man in speziellen Kochkursen lernen. „Gerade Männer sind oft skeptisch. Aber wenn sie dann sehen, dass man Gemüse auch lecker zubereiten kann, sind sie oft begeistert“, weiß Maisch.
Der zweite wichtige Punkt neben der Ernährung ist Sport und Bewegung: „Wir empfehlen mindestens 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche“, sagt Günther Scheuring vom Diabetes-Team. Also beispielsweise fünf mal dreißig Minuten, dazu noch Muskelkrafttraining für zehn Minuten oder mehr an mindestens zwei Tagen in der Woche. Überlastung und Pressatmung gilt es aber zu vermeiden.
Zusätzlich sollte man sitzende Tätigkeiten reduzieren und mehr Aktivität in den Alltag einbauen. Aber auch hier gilt: „Man muss nicht von heute auf morgen Sportler des Jahres werden“, so Scheuring. Außerdem sollte der Sport an Alter, Gesundheitszustand und mögliche Folgeerkrankungen angepasst sein. „Am besten vorher einen Checkup beim Arzt machen lassen“, rät Dr. Soda. Um den inneren Schweinehund zu überwinden, sollte man sich klare, realistische Ziele setzen. Das Diabetes-Team empfiehlt auch, sich bei Freunden und der Familie Unterstützung zu suchen oder sich einem Sportverein, einer Selbsthilfe- oder Diabetes-Sportgruppe anzuschließen. Auch wenn sich Fortschritt zunächst langsamer zeigen als gewollt, gilt: Man sollte nie den Mut verlieren.
Ernährung bei Diabetes Typ-2
Drei Fragen an Dr. Nagham Soda, Ernährungsmedizinerin und diabetes-versierte Ärztin am Campus Bad Neustadt.
Gibt es Lebensmittel, die Diabetiker meiden sollten?
Ja, schnell resorbierbare Kohlenhydrate. Zucker, Süßigkeiten oder Kuchen sollte man also nur in geringen Mengen essen. Das gilt auch für einige Obstsorten und Säfte. Weißmehl- sollte man durch Vollkornprodukte ersetzen, die den Blutzucker langsamer und weniger stark ansteigen lassen. Außerdem haben ballaststoffreiche Lebensmittel einen sehr positiven Effekt. Vorsicht ist geboten bei mit Fruktose gesüßten Lebensmittel wie Softdrinks oder Fertigbackwaren: Sie können den Glukosestoffwechsel und die Blutfette negativ beeinflussen.
Auch Nahrungsmittel mit gehärteten Fetten wie Kartoffelchips oder Pommes frites haben einen negativen Effekt auf die Blutfette und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Ist Süßstoff eine gute Zuckeralternative?
Da Süßstoff den Blutzucker nicht beeinflusst, kann man ihn durchaus mal zum Backen und Süßen von Tee, Kaffee oder Süßspeisen verwenden. Man sollte es aber nicht übertreiben. Schließlich geht es auch darum, wieder ein gesundes Süßempfinden zu entwickeln.
Empfehlen Sie zum Abnehmen bestimmte Ernährungsweisen wie Intervallfasten oder Low Carb?
Wenn die Ernährung grundsätzlich stimmt, kann Intervallfasten viel bringen. Es ist jedoch kein Freibrief zum Schlemmen.
Eine kohlenhydratarme Ernährung kann für Menschen mit Diabetes Typ-2, Prädiabetiker oder Übergewichtige eine Reihe positivere Effekte haben. Zu beachten ist, dass unter Low-Carb unterschiedliche Ernährungsvarianten fallen. Welche Variante am besten geeignet ist, sollte man mit dem behandelnden Arzt besprechen, damit er, wenn nötig, die Medikamentendosis anpassen kann. Das gilt übrigens für alle Arten von Diäten.
Was ich nicht empfehle, sind schnelle, strenge Diäten und einseitige Ernährungsformen. Sie haben auf Dauer eher negative Effekte, zum Beispiel Nährstoffmangel oder Jo-Jo Effekt.