DAMIT

Schmerzen

NICHT

chronisch

WERDEN

Zehn bis zwölf Millionen Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen. Oft sind Alltag und Berufsleben dadurch deutlich beeinträchtigt. Multimodale Therapiekonzepte sind gut wirksam, erfordern aber die aktive Mitarbeit des Patienten.

Wenn Schmerzen chronisch werden – also länger als drei Monate anhalten –, steckt dahinter meist eine körperliche Ursache wie etwa ein Gelenkleiden. Wird die Ursache z. B. durch eine Operation behoben, verschwinden sie auch nach längerer Zeit.

Anders ist das bei chronischen Schmerzen, die ihre ursprüngliche Warnfunktion verloren haben und zum eigentlichen Problem geworden sind. Oft ist dann keine körperliche Ursache fassbar und der Schmerz kann bleiben, obwohl der anfängliche Grund für die Schmerzen nicht mehr gegeben ist. „Auch in diesen Fällen spricht man von einem chronischen Schmerzsyndrom“, sagt Schmerzexperte Prof. Dr. Matthias Keidel, Chefarzt der Akutneurologie I am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt. Oft pilgern die Patienten von Arzt zu Arzt, nehmen jahrelang Schmerzmittel ein, bevor ihnen wirklich geholfen wird. So sind chronische Verläufe über viele Jahre nicht selten.

Verschiedene Faktoren müssen zusammenkommen Doch wie kann es sein, dass Schmerzen sich verselbstständigen? „Dafür müssen mehrere Dinge zusammenkommen; man führt das auf biopsychosoziale Mechanismen der Entstehung zurück“, erklärt Professor Keidel. Neben der körperlichen Seite spielen der Umgang mit dem Schmerz, die psychische Verfassung und das soziale Umfeld eine Rolle. Leidet jemand unter Rückenschmerzen, darf der Arzt sich deshalb nicht nur die Wirbelsäule anschauen, sondern muss auch nach sogenannten „yellow flags“ suchen. Dazu zählen psychosoziale Risikofaktoren wie depressive Verstimmung, sozialer Rückzug, Stress und Konflikte in der Familie oder am Arbeitsplatz. „Schon bei der Erstvorstellung, spätestens aber wenn der Rückenschmerz länger besteht, sollte der Arzt diese Faktoren abfragen“, so Professor Keidel.

Akute Schmerzen sollten nicht ignoriert, sondern gezielt behandelt werden. Bei Rückenschmerzen heißt das: vom Arzt in ausreichender Dosierung verordnete Schmerzmittel sowie Physiotherapie zur Mobilisierung, Auflösung von Verspannungen und schließlich zum Aufbau der Rücken- und Bauchmuskulatur. „Es gilt hierbei, den Patienten zur aktiven Mitarbeit an der Therapie zu motivieren und ihm die Erfahrung der Selbstwirksamkeit in der positiven Beeinflussung seiner Schmerzen zu ermöglichen“, sagt Professor Keidel. So behandelt hätten Rückenschmerzen eine sehr gute Prognose. Multimodal behandeln Hat der Schmerz sich jedoch bereits verselbstständigt und chronifiziert, hilft am besten eine multimodale Schmerztherapie, die ärztliche Behandlung, Physiotherapie, Psychotherapie und weitere Verfahren miteinander kombiniert. „Mit Hilfe der kognitiven Verhaltenstherapie versucht man, Denken, Fühlen und Handeln zu beeinflussen“, so Professor Keidel. „Die Patienten haben Angst vor dem Schmerz, davor, dass er nie mehr weggeht, und davor, sich zu bewegen. Das führt in eine Art Teufelskreis.“ Grüblerische und negative Denkmuster gilt es zu durchbrechen und durch positive Sichtweisen zu ersetzen. Der Arzt muss parallel die passenden Medikamente verordnen. Und schließlich kann der Patient selbst viel gegen den Schmerz tun: Sport an der frischen Luft, Bewegungsbäder, Wechselduschen oder Teilgüsse, Entspannungsverfahren. „Das wird oft als Wellness abgetan, ist aber ein wichtiger Baustein der Therapie“, so der Neurologe. Letztendlich braucht es aber für jeden Patienten einen individuellen Therapieplan. So kann der Schmerz vielleicht nicht immer komplett genommen, aber zumindest deutlich vermindert werden.

KONTAKT Sekretariat der Klinik für Akutneurologie I und klinische Neurophysiologie am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt Chefarzt Prof. Dr. med Dipl.-Psych. Matthias Keidel Tel. 0977 908 83100 Nachricht schreiben