WIEDER

Le​bens​lust spü​ren

Wer mit einer chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheit kämpft, leidet unter vielfältigen Belastungen. Dr. Dagmar Stelz, Chefärztin der Psychosomatischen Klinik, über die Erfolge der multimodalen Therapie am Campus Bad Neustadt.

Brigitte M. (Name von der Redaktion geändert) erinnert sich noch genau an den Tag, als sie die Diagnose Brustkrebs bekam: „Ich hörte die Erklärungen des Arztes nur noch wie in Watte gepackt, es war furchtbar.“ Dennoch schaffte sie es, sich in den ersten Wochen und Monaten ganz auf ihre Therapie mit Chemotherapie und Strahlenbehandlung zu konzentrieren: „Ich war schon immer eine Macherin. Das lief auch einige Zeit ganz gut.“

Somatopsychische Erkrankung

Dann kam der Tag, an dem ihr endgültig die Kraft ausging: „Ich war beim Einkaufen im Supermarkt und auf einmal wurde mir schwindelig, ich bekam so ein beklemmendes Gefühl, wie panisch.“ Der Hausarzt diagnostizierte bei Brigitte M. eine somatopsychische Erkrankung.

Diese Störung entsteht als Reaktion auf schwere oder chronische körperliche Erkrankungen. Auslöser können zum Beispiel sein: Krebs, koronare Herzerkrankung, Diabetes mellitus, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Epilepsie oder Rheuma mit dauerhaft starken Schmerzen, die den Alltag erheblich beeinträchtigen.

Krankheitsverarbeitungsstörung

Dr. Dagmar Stelz, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Internistin, leitet als Chefärztin den Bereich 1 der Psychosomatischen Klinik am Campus Bad Neustadt und behandelt täglich Menschen mit diesem Krankheitsbild: „Diese komplex erkrankten Patienten sind nun aufgrund der chronischen oder lebensbedrohlichen Grunderkrankungen unterschiedlichen psychischen und sozialen Belastungen ausgesetzt.“ Eine somatopsychische Störung wird daher auch als Krankheitsverarbeitungsstörung bezeichnet.

Dr. Stelz: „Die Patienten haben jetzt nicht nur die Aufgabe, sich mit den krankheitsbedingten Einschränkungen und oft auch Ängsten vor Verlust der Autonomie, der körperlichen Integrität, auch Todesängsten auseinanderzusetzen und Strategien für den veränderten Alltag zu entwickeln.“ Oft müssten sie darüber hinaus mit weiteren Folgen der Erkrankung, wie Arbeitsplatzverlust, Trennung, Scheidung und finanziellen Problemen zurechtkommen. Zudem seien sie verunsichert wegen ihrer veränderten Rolle in Beziehungen zu Familie, Kollegen, Freunden.

Um mit einer Krankheit klarzukommen, helfen Sport und reden, reden, reden.

Therapie in der Psychosomatik

„Rund ein Drittel der Patienten mit somatischen Erkrankungen entwickelt Symptome wie Schlafstörungen, Müdigkeit, Verspannungen, Angst, Überlastungssyndrome, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken oder Flucht in Alkohol oder Beruhigungsmittel“, weiß die Fachärztin.

Daher werden die Patienten in der Psychosomatischen Klinik nach eingehenden medizinisch-psychosomatischen Untersuchungen in das multimodale stationäre Setting integriert. Neben mindestens einer täglichen tiefenpsychologischen verbalen oder körperorientierten Psychotherapiegruppe gibt es psychosomatische Visiten, Wochenstart- und Wochenabschlussgruppen, bedarfsweise indikative Therapiegruppen und Einzeltherapien.

Kriseninterventionsstation rund um die Uhr

Dazu kommen ein an die körperlichen Gegebenheiten angepasstes Sport- und Bewegungsprogramm, Physiotherapie, Körperwahrnehmungsschulungen, Progressive Muskelrelaxation, Ergotherapien, Ernährungsberatung sowie Beratungen durch Sozialpädagogen. Dr. Stelz ist überzeugt: „Diese komplexe Therapieform führt dazu, dass unsere Patienten im besten Falle wieder Lebenslust verspüren und beginnen, neue Ziele zu entwickeln.“

Patienten in Krisen oder besonderer körperlicher Unterstützungsnotwendigkeit können über die Kriseninterventionsstation geführt werden, mit 24-stündiger direkter pflegerischer, somatischer und psychotherapeutischer Betreuungsmöglichkeit.

Dr. Stelz: „Dort gibt es auch am Wochenende Oberarztvisiten, ohnehin sind rund um die Uhr in der psychosomatischen Klinik diensthabende Ärzte und Psychologen anwesend.“

Die eigene Psyche stärken

Wer als chronisch kranker Mensch seine Psyche unterstützen möchte, dem empfiehlt die Expertin ​u.a. Gleichgesinnte: „Für viele chronische Krankheiten gibt es ein Netz von Selbsthilfegruppen. Menschen sollten Überlastungssituationen vermeiden und sich möglichst nicht zurückziehen, über ihre Krankheit, körperliche Grenzen und Bedürfnisse mit Freunden und Familie ins Gespräch kommen.“

Ansonsten ist empfehlenswert, was jedem Menschen guttut: ein angepasstes Sport- und Bewegungsprogramm sowie eine gesunde Ernährung.

KONTAKT Psychosomatische Klinik Bad Neustadt Chefärztin Dr. med. Dagmar Stelz Tel. 09771 67 73000 Nachricht senden