TROTZ CORONA

WICHTIG IST DIE

Di​ag​no​se

Herzprobleme müssen zeitnah abgeklärt werden. Prof. Dr. Anno Diegeler, der am RHÖN-KLINIKUM Campus Bad Neustadt die Klinik für Kardiochirurgie leitet, weiß: Eine rasche Diagnose hilft, flexibel auf die Situation zu reagieren.

Prof. Dr. med. Anno Diegeler

Ist die Behandlung einer koronaren Herzerkrankung aufschiebbar? Eine Behandlung koronarer Herzerkrankungen ist selten zu früh. Wichtig ist eine schnelle und sichere Diagnose. Daher rate ich allen Betroffenen, trotz Corona die Diagnosestellung nicht aufzuschieben.

Etwa ein Drittel der Betroffenen ist sofort behandlungsbedürftig. Bei anderen ist die Behandlung, bei guter Planung, Medikation und Kontrolle, auch später durchführbar. Ihr Arzt stellt mit Ihnen einen Behandlungsplan auf, nicht nur im Hinblick auf Corona. Ändert sich wegen COVID-19 die Behandlung? Auf fachliche Leitlinien bei koronaren Herzerkrankungen hatte COVID-19 keinen Einfluss. Allerdings gibt es, auch hier am Campus Bad Neustadt, neue Prozesse zur Prävention, wie Zugangssteuerung, Abstandswahrung und Maskenpflicht.

Vereinzelt sind alternative Therapiestrategien nach einer Operation vorstellbar, beispielsweise könnten jüngere Menschen eine gut überwachte Reha-Behandlung von zu Hause aus durchführen. Solche Maßnahmen finden aber nur in der Pandemiezeit Anwendung. Denn eine strukturierte Rehabilitation nach einem größeren Eingriff ist wichtig für optimale Therapieerfolge. Sind Menschen mit koronaren Herzerkrankungen in Bezug auf COVID-19 besonders gefährdet? Eine schwere Corona-Infektion belastet das Herz-Kreislauf-System enorm. Auch können Viren den Herzmuskel angreifen. Zwar haben wir zu allen möglichen Folgen einer COVID-19-Infektion noch keine umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse, vor allem zu Langzeitfolgen. Dennoch sind wir gerade bei Personen mit koronaren Vorbelastungen besonders aufmerksam, insbesondere dann, wenn der Herzmuskel durch chronische Sauerstoffunterversorgung bereits angegriffen ist.

Welche Sorgen äußern Ihre Patienten? Aufgrund der Pandemie fragen sich Patienten sicherlich, ob statt eines größeren chirurgischen Eingriffs nicht auch minimalinvasiv mit Stents oder gar medikamentös behandelt werden könne. Hier sollte die Entscheidung unbedingt von der Diagnose abhängig gemacht werden – und nicht von der Furcht vor Corona geleitet sein. Wir stellen hier in Bad Neustadt viele Indikationen in einem Heart Team zusammen mit den Kollegen der Klinik für Kardiologie unter der Leitung von Prof. Sebastian Kerber. Daher ist es zunächst wichtig, eine Diagnose zu haben. Daran kann dann auch, unter Berücksichtigung der Risiken der Pandemie, die beste Therapie für den Patienten gewählt werden. Wir glauben aber, dass die Nachhaltigkeit der Behandlung viel wichtiger ist als ein kurzfristiger Effekt. Zudem ist das Sicherheitskonzept in der Klinik sehr ausgeprägt, sodass eine Infektion im Hause zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich ist.

Auch die gesellschaftlichen Lockerungen beschäftigen viele. Einerseits sehnt man sich verständlicherweise nach mehr Freiheiten. Für Menschen, die an koronaren Herzerkrankungen leiden oder in Rehabilitation sind, steht hingegen der Schutz vor Ansteckung an erster Stelle. Gerade in der vulnerablen Zeit nach einer Operation kann eine Infektion unkalkulierbare Folgen haben. Was kann ich vor einer kardiologischen Behandlung tun? Vor Eingriffen sind Selbstquarantäne und Corona-Tests sinnvoll. Bei einer gut gestellten Diagnose, die keine sofortige Behandlung benötigt, lässt sich der Zeitpunkt anhand von Belegungs- und Inzidenzzahlen abwägen – und gegebenenfalls auch eine Corona-Impfung einplanen. Das sollte mit dem behandelnden Arzt abgeklärt sein.

Trotz Ausgangsbeschränkungen: Was kann man dem Herzen Gutes tun? Gesundheit kennt keine „Ausgangsbeschränkung“, wohl aber eine Versammlungsbeschränkung. Homeoffice und weniger soziale Kontakte sind keine Gründe, Bewegung an der frischen Luft zu vernachlässigen. Gerade chronische Erkrankungen können sich durch Passivität verschlechtern.

Ein gesundes Maß an Selbstdisziplin ist gut für den Körper, wie die Integration von Bewegung in den Alltag und eine bewusste Ernährung, die nicht zusätzlich belastet.

Und nicht alle Arbeiten lassen sich von daheim aus erledigen: Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eine Lanze für das Pflegeporsonal brechen, das durch Corona besonders belastet wurde, gerade in der Intensivmedizin. Es ist zu wünschen, dass ein wachsendes gesellschaftliches Ansehen des Pflegeberufs gefördert und auch in der Politik weiter unterstützt und vor allem honoriert wird.

KONTAKT Klinik für Kardiochirurgie Chefarzt Prof. Dr. med. Anno Diegeler Tel. 09771 66 23400 Nachricht senden